von Paul Kuhn
Alemannia Aachen
Die Vorsaison beendete die Alemannia als Vorjahresaufsteiger souverän auf Platz 12 mit 50 Punkten. Nach dem sicheren Klassenerhalt nach dem verdienten 4-2 Sieg über Saarbrücken am vorletzten Spieltag forderte Trainer Heiner Backhaus mehr finanzielle Möglichkeiten, um Spieler von dem Projekt Aachen zu begeistern und zu halten. Kurze Zeit später jedoch war er der Erste, der selbst gehen wollte. Backhaus verabschiedete sich, nach 2 tollen Jahren in Aachen, eine Liga höher zu Eintracht Braunschweig.
Somit leitete der Trainer selbst einen Umbruch ein, der sich als Herausforderung beweist. Ende Juni stellte die Alemannia mit Benedetto Muzzicato einen Trainer vor, der zwar seit 2011 in verschiedenen Trainerrollen arbeitet, jedoch nur von Juli 2021 bis Februar 2022 bei Viktoria Berlin in Liga 3 arbeitete. Auf den ersten Blick könnte man meinen, die Alemannia hätte vielleicht auf einen erfahrenden Trainer setzen sollen, um sich in der Liga erst einmal sicher zu etablieren. Muzzicato ist eine mutige Lösung, die sich allerdings natürlich auch rentieren kann.
Die Alemannia kassierte letzte Saison gerade einmal 44 Gegentore, schoss jedoch auch nur 44. Das Spiel mit Ball war extrem limitiert, was man an Platz 19 im durchschnittlichen Ballbesitz sieht. Dies soll sich nun komplett ändern. Die Alemannia plant nun einen mutigen, aktiven Ballbesitzfußball zu spielen, der den Fans am Tivoli etwas bietet. Insbesondere junge Spieler will man in Zukunft anlocken und dann vermutlich gewinnbringend verkaufen. Eine spannende Idee, die Umsetzung bleibt allerdings abzuwarten.
Auf Zu- und Abgangsseite ist bereits einiges passiert. Mit Sofiane El-Faouzi, Jan-Luca Rumpf, Anton Heinz, Patrick Nkoa und Anas Bakhat verließen 5 Spieler die Aachener, die in der letzten Saison über 1000 Minuten Einsatzzeit zu verzeichnen hatten. Insbesondere El-Faouzi tut weh, da eben dieser in sämtlichen Statistiken gegen den Ball und Laufleistung glänzen konnte. Immerhin brachte er 200.000 Euro Ablöse vom FC Schalke 04 ein.
Neu dazu kamen mit Jeremias Lorch, Kwasi Wriedt und Valmir Sulejmani unteranderem drei erfahrene Drittligaspieler. Die anderen Neuzugänge kommen vornehmlich aus U23 Mannschaften und sollen die Pläne mit jungen Spielern die Zukunft zu gestalten vorantreiben.
Fazit: Die Alemannia dürfte es schwer haben in der neuen Saison. Ein völliger Stilbruch im „verflixten zweiten Jahr“ ist auf jeden Fall als sehr mutiger Schritt anzusehen. Dazu konnten nicht wirkliche Statementtransfers getätigt werden bis dato. Man ist also darauf angewiesen, dass sich die Truppe schnell an den völlig neuen Ansatz gewöhnt und die jungen Spieler einschlagen. Die Planungen scheint allerdings noch nicht abgeschlossen, so baggerte man öffentlich an Tolcay Cigerci von Energie Cottbus und Marko Ilic vom TSV Havelse, handelte sich jedoch in beiden Fällen einen öffentlichen Korb ein. Die Alemannia wird voraussichtlich eher nach Unten schauen müssen in dieser Saison.
SC Verl
Ebenfalls mit neuem Coach an der Seitenlinie starten wird der SC Verl. Tobias Strobl wird das Erbe von Alexander Ende antreten, den es nach zwei erfolgreichen Jahren zu Preußen Münster zog. Der mittlerweile zum SC Paderborn gewechselte Sportchef Sebastian Lange erklärte auf der Vorstellungs-PK, dass er Strobl schon länger im Auge gehabt hätte. Er wird als perfekter Kandidat gesehen für die sportliche DNA des SC Verl.
Strobl selbst bezeichnet sein Spiel als „Powerfußball“, möglichst dominant, intensiv, dazu wird er als ehemaliger U19 Trainer des FC Augsburg mit jungen Spielern umzugehen wissen.
Neben dem Verlust des Trainers, muss der SC Verl auch die Abgänge von sechs Stammspielern verkraften. Der junge Innenverteidiger Tim Köhler kehrt nach seiner Leihe von RB Leipzig zurück, Rechtsverteidiger Patrick Kammerbauer wechselte nach Osnabrück, Stürmer Lars Lokotsch und Mittelfeldmann Marcel Benger folgten Ende nach Münster, Sechser Tom Baack zog es nach Nürnberg und Identifikationsfigur Daniel Mikic verließ den Verein nach 12 Jahren und beendete seine aktive Laufbahn.
Dazu könnte mit weiteren Abgängen gerechnet werden. Schlüsselspieler Berkan Taz, der letzte Saison auf 27 Scorer kam, wird von einigen Zweitligisten umworben. Ihn zu halten wäre sicherlich elementar, um eine sorgenfreie Saison spielen zu können. Generell fehlt es dem Kader völlig an Erfahrung. Das Durchschnittsalter liegt bei 23,8, dazu ist nicht ein einziger Spieler überhaupt 30 Jahre alt. Die Neuzugänge sind allesamt junge Spieler, die sich erst noch entwickeln müssen. Als erfahrenste Neuzugänge lassen sich Martin Ens aus Paderborn und Dennis Waidner aus Unterhaching bezeichnen, die bereits einige Spiele in Liga zwei und drei absolvieren konnten.
Fazit: Der SC Verl ist ein sehr spannendes Projekt. Mit wenig Mitteln einen so intensiven und attraktiven Fußball zu spielen, ist aller Ehren wert. Dennoch ist der Personelle Aderlass vor dieser Saison enorm. Den jungen Spielern im Kader fehlt es womöglich an älteren Vorbildern, die Ihnen Tag für Tag ihre Erfahrung weitergeben können. Mit Tobias Strobl hat man einen sehr interessanten Trainer an Bord geholt, der sicherlich weiß, dass es keine leichte Aufgabe wird mit diesem jungen Haufen in der Liga zu bestehen. Nichtdestotrotz war der SC Verl in den vergangenen Jahren für viele Überraschungen gut und könnte dies auch in dieser Saison sein, auch wenn die Vorzeichen komplizierter wirken.
VfB Stuttgart II
Die zweite des VfB konnte sich ende der Saison dank eines guten Schlussspurts in der Liga halten. Cheftrainer Markus Fiedler qualifizierte sich mit dieser guten Platzierung als Nachfolger von Christian Titz beim 1.FC Magdeburg.
Neuer Cheftrainer ist Nico Willig. Dieser war seit 2018 Trainer der starken Stuttgarter U19 und übernahm Ende der Saison 2018/19 die Verantwortung die Profimannschaft in die Relegation gegen Union Berlin zu führen. Dies misslang allerdings aufgrund der damalig noch existierenden Auswärtstorregel und der VfB musste runter in Liga zwei.
Sechs Jahre später ist Willig nun Coach der jungen Stuttgarter Zweitvertretung, welche es dieses Jahr ziemlich schwer haben dürfte. Mit Laurin Ulrich, Dennis Seimen, Benjamin Boakye, Jarzinho Malanga Jannik Hofmann und Wahid Faghir, verließen einige zentrale Spieler den Verein, welche für den Klassenerhalt sorgen konnten.
Extern verpflichtet wurden lediglich Außenstürmer Abdenego Nankishi aus Bremen und Torhüter Jerik von der Felsen aus Walldorf.
Fazit: Es dürfte sehr schwierig werden für den VfB die Klasse zu halten. Die erste Mannschaft nimmt zudem durch den Pokalsieg an drei Wettbewerben Teil und wird dementsprechend viele Kräfte benötigen, um die eigenen Ziele zu erreichen. Es bleibt abzuwarten, ob noch etwas auf dem Markt passiert, oder ob dennoch viele Spieler aus der ersten Mannschaft aushelfen werden. Falls nicht, kann die zweite des VfB als ernstzunehmender Abstiegskandidat gesehen werden.
Viktoria Köln
Ähnlich wie bei den drei vorher behandelten Vereinen, kam es auch bei Viktoria Köln zu einem Trainerwechsel. Erfolgstrainer Olaf Janßen suchte eine neue Herausforderung und fand diese in Sandhausen in der Regionalliga Südwest. Sein Abschied wurde frühzeitig kommuniziert und die Nachfolge ebenso direkt geregelt.
Diese tritt der 36-jährige Marian Wilhelm an. Wilhelm durchlief sämtliche Jugendteams der Viktoria in verschieden Trainerrollen und war zuletzt Co-Trainer von Olaf Janßen bei den Profis. Mit dieser Personalie wurde auch direkt kommuniziert, dass ähnlich wie in Verl kein Stilbruch folgen soll, sondern man einfach nur mit neuem Personal die selbe Philosophie beibehalten möchte, um weitere Schritte in der Entwicklung des Vereins zu gehen.
Personell gibt es einen ziemlichen Umbruch. Neben Chefcoach Janßen verließen auch 18 Spieler die Viktoria. Darunter die essenziellen Stammspieler Said El-Mala und Serhat Semih Güler. Zusammen mit Lex Tyger Lobinger, welcher den Verein wohl auch noch verlassen wird, kamen sie zu dritt auf insgesamt 42 erzielte Tore. Zur Einordnung: Die Viktoria schoss als komplettes Team 59 Tore.
Die Zugänge und das Durchschnittsalter geben Parallelen zum SC Verl ab. Es kamen vornehmlich junge entwicklungsfähige Spieler, die auch das geringe Durchschnittsalter von 24 Jahren erklären. Ähnlich wie in Ostwestfalen setzt man darauf, dass die jungen Spieler befreit aufspielen und die Liga ein wenig aufmischen.
Fazit: Die Viktoria ist ein Verein, der seit Jahren einen herausragenden Job im Thema Nachwuchsentwicklung abgibt. Ähnlich wie Verl, eine Top-Adresse für junge Spieler, die im deutschen Profifußball Fuß fassen wollen, und sich vor allem spielerisch entwickeln möchten. Dennoch ist auch hier das Risiko ebenso groß wie die Chance. Vor einem Jahr hatte auch niemand mit Platz 6 gerechnet, niemand hatte die Explosion von Spielern wie El-Mala oder Lobinger auf dem Schirm. Mit einem jungen unerfahrenen Trainer wird auch hier erstmal abzuwarten sein, ob die sehr junge Mannschaft es schafft, sich in dieser sehr körperlichen Liga, spielerisch zu entfalten. Andernfalls wird es auch hier eher um den Klassenerhalt gehen.
Erzgebirge Aue
Anders als bei den vier vorangegangen Vereinen, gab es bei Erzgebirge Aue keinen Trainerwechsel. Der Verein schloss die letzte Saison nach einem enormen Verletzungspech mit 50 Punkten auf Platz 13 ab.
Cheftrainer ist weiterhin Jens Härtel, in der Vergangenheit bereits mit dem 1.FC Magdeburg und Hansa Rostock aufgestiegen. Ob er mit Aue in dieser Saison oben angreifen kann, darf stand jetzt kritisch betrachtet werden, da einige Teams rein personell stärker besetzt sind.
So verließen mit Linus Rosenlöcher, Omar Sijaric, Killian Jakob, Mirnes Pepic und Steffen Nkansah Spieler den Verein, welche vergangene Saison auf weit über 1000 Spielminuten kamen. Im Gegenzug jedoch, konnte man sich mit einigen vielversprechenden Spielern aus Liga 3 und 4 verstärken.
So gelang mit Erik Weinhauer die Verpflichtung eines Stürmers, der letzte Saison auf 18 Tore in der Regionalliga Nordost kam. Dazu kamen mit Julian Guttau und Julian Günther-Schmidt zwei Offensive Mittelfeldspieler, welche in der Vergangenheit bereits starke Saisons in Liga 3 ablieferten. Bei Günter-Schmidt jedoch, geriet der Motor ins Stocken in den vergangenen beiden Jahren. So schoss er kein einziges Drittligator für den 1.FC Saarbrücken, welcher stets oben mitspielte. Ihm dürfte die nun vorgenommene Luftveränderung enorm gut tun.
Ebenfalls erwähnenswert wäre noch Moritz Seiffert, der als Linksverteidigerersatz aus Ingolstadt kam. Ebenso wie Ryan Malone, der seit Jahren mit seinen weiten Einwürfen für Gefahr in der Liga sorgt.
Trainer Jens Härtel probierte viel aus seit seinem Einstand im Januar. Erfahrungsgemäß lässt er seine Mannschaften gerne im 4-2-3-1 auflaufen. Mit Guttau, Günter-Schmidt und Weinhauer hat man drei interessante Spieler verpflichtet, die sicherlich gut in diesem System funktionieren können. Dazu steht mit Marvin Stefaniak ein weiterer Spieler unter Vertrag, der seit Jahren gute Zahlen aufweisen kann.
Problematisch wird es im Sturm, insbesondere aufgrund der Verletztensituation. Stürmer Marcel Bär zog sich in der Rückrunde einen Achillessehnenriss zu, Ricky Bornstein erkrankte an Krebs und Borys Tashchy laboriert nach wie vor an Knieproblemen. Die Verpflichtung eines weiteren richtigen Mittelstürmers könnte den Veilchen also durchaus gut tun.
Fazit: Der Kader ist personell sehr ordentlich aufgestellt für Liga drei. Man hat mit Urgestein Martin Männel, Marvin Stefaniak und Anthony Barylla zudem drei Leistungsträger unter Vertrag, die allesamt aus der Region stammen und bereits seit Jahren da sind. Mit weniger Verletzungspech und vielleicht noch dem ein oder anderen Neuen im letzten Monat vor Transferschluss, könnte hier in Aue durchaus etwas zusammenwachsen. Die Testspiele verliefen ordentlich, die Generalprobe gegen Energie Cottbus gelang mit einem starken Auftritt inklusive 2:0 Erfolg um. Auf den ersten Blick kann man Erzgebirge Aue von einer sorgenfreien Saison im Tabellenmittelfeld ausgehen, sollte nichts allzu Wildes mehr passieren.



